Leben mit einem neurodiversen Gehirn – die Diagnose als Masterplan für ein glückendes Leben

Seit Jahren betone ich als Arzt bei meinen KlientInnen aus dem „Überreizspektrum“, wie wichtig es für sie ist, über eine Diagnose zu einer neuen Selbstbeschreibung und damit zu einem alternativen Selbstverständnis zu finden. Im medizinischen Kontext ist eine Diagnose immer ein provisorisches Arbeitsinstrument, es muss immer wieder hinterfragt und präzisiert werden. Aber: Ohne Diagnose kein Plan

Das Skript des eigenen Lebens neu schreiben

Mir selbst habe ich erst mit über 50 solch eine alternative ADS-Diagnose erlaubt:

In meiner Geschichte reihen sich einige bittere Beziehungs- und Teamerfahrungen, Burnout, Prokrastination, die ich und andere in erster Linie als Charakterschwächen und fehlende Leistung interpretiert hatten. Wieviel Energie habe ich darauf verwendet hatte, diese Schwächen zu verstecken, aus Schuld und Scham, das sieht und sah kaum jemand. Dabei waren viele meiner Reaktionsweisen von Angst geprägt, etwas falsch zu machen oder schlicht überfordert zu sein.

Durch diese neue Brille wurden und werden viele Schwierigkeiten, Schwächen und Erfahrungen zu Einladungen, mich und die Funktionsweise meines Gehirns anders zu verstehen: ich brauche andere Skills und Tools, dann kann auch ich mein Leben glücklich und erfolgreich gestalten.

Diese Tools und Strategien habe ich, wie viele, nicht vorgelebt bekommen – und das Elternhaus, die Schule, die verschiedenen Arbeitsplätze waren schnell im Werten statt Fragen. Und auch in Beziehungen müsste dieses fragendes Forschen oberste Priorität bekommen.

Darum ist es ein konstantes aktives Forschen und Entwickeln, mir die passendsten Werkzeuge bereit zu stellen. Und ein Umfeld suchen, dass bereit ist, einander diese Spielwiese anzubieten. Jeff Karp ist mit seinem hochinnovativen Team ein wunderbares und äusserst erfolgreiches Beispiel dafür.

„Be curious – not judgemental“
„Sei gwundrig – nicht verurteilend“

Walt Whitman

Provisorische Bilanz:

Die bisherigen Fehler und Fehlentscheide neu deuten: die Strategie, die Du bisher gebraucht hast, war nicht DEIN Plan A, maximal Plan C oder D. Also, was ist Deine beste neue Lösung für das Problem?

Zurückschauend und in der Gegenwart gestaltend und kreativ mitschreiben:

  • andere Beziehungen oder anders in Beziehungen
  • Anderer Job oder anders im Job
  • Andere Werte oder anders werten

Diese Geschicklichkeit und Wendigkeit gilt es zu erlernen, und fortwährend zu erweitern.

Für Betroffene und Profis, die mit solchen Menschen zu tun haben:

Menschen mit einem Gehirn aus dem neurodiversen Spektrum brauchen eine

  • Andere systemische Medizin: da Neurotransmittersysteme anders oder stärker reguliert sind, reagieren diese Menschen auf viele Medikamente  (auch Phythopharmaka) stärker oder gar „paradox“. Es gelten andere Dosierungen. Adrenalin und Histamin sind allgegenwärtige Mitläufer, die entsprechenden gegenregulierenden Systeme in der Behandlung mehr zu betonen. Die Schutzsysteme Sexualhormone, Mikrobiom und Adaptogene haben eine grössere Wichtigkeit.
  • Bewusstsein für Burnout: der Dauerbetrieb im Oberstübchen führt häufiger zur Überhitzung und Erschöpfung des Gehirns, damit der obersten Steuerinstanz. Das Gehirn anders nähren und pflegen lernen, bereits bei Kindern, das muss Schulfach werden.
  • Andere vertikale Psychologie: diese Menschen sie sind nicht wirklich psychologisch instabiler, sie operieren nur häufiger mit völlig unpassenden Strategien, die sie von aussen übernommen haben, ohne sie auf Tauglichkeit und Wirksamkeit zu prüfen.
  • Andere Beziehungs-Kultur: sie sind anfälliger für Kritik und Selbstverurteilung, verschanzen sich dadurch eher in Verteidigungsmechanismen. Wahrnehmen, Hinhören, Rückzug, Raum für Erfahrung und Sinnlichkeit hat für sie noch mehr Gewicht, da sie nur dort neue Beziehungsvarianten erfinden und testen können.
  • Andere Kultur am Arbeitsplatz: statt anpassen ist eine Kultur der Neugier zu pflegen, denn die weckt das maximale innovative und kooperative Potential dieser Menschen und säät Teamspirit

In Pädagogik, HR, Coaching, Therapie und Pädagogik: machen Sie es Ihren Mitmenschen und auch Ihnen leichter: prüfen Sie häufiger die Arbeitshypothese Neurodiversität!

Die Diagnose wird so zum Masterplan für glücklichere und erfolgreichere Lebenspläne:

  1. Das Gehirn nähren und lernbereit machen
  2. Denken, Fühlen und Handeln regulieren lernen
  3. Sich Richtung geben

Ein beglückendes Leben ist möglich, aber es will gewählt und gestaltet sein.